Inhaltsverzeichnis
……So böse wie ihr Ruf……
Innovationen sind einerseits revolutionär, andererseits rufen sie jedoch Skepsis hervor. Denn: Was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht. Die Erfahrung müssen nun auch Hersteller und Vertreiber der innovativen E-Zigarette in diesen Tagen machen. Neben Diskussionen darüber, ob das elektrische Dampfen der Tabaksteuer unterworfen werden soll, dominiert ein weiteres Thema rund um ihr Produkt: Dient sie als Einstiegsdroge?
Während die scharfen Nichtrauchergesetze gerade Jugendliche und Kinder bereits vor einem Rauchstart schützen sollen, soll nun diese Innovation alle Bemühungen dazu zunichte machen. Denn die E-Zigarette sei cool und „nicht so gefährlich“, sagen Kritiker. Was ist an diesem Gedanken für bare Münze zu nehmen? Ein Erklärungsversuch!
Die größten Kritiker: Eine Studie, die die Einstiegsdroge belegen soll
Eine der stärksten Verfechter dieser Kritik ist das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg (DKFZ). Auf der 12. Konferenz für Tabakkontrolle haben Mitarbeiter im Dezember 2014 eine Studie vorgestellt, nach dessen Ergebnisse vor allem die unregulierte Werbung die E-Zigarette zu einer Einstiegsdroge mache. Denn die Hersteller und ihre Vertriebspartner setzen vor allem darauf, dass die E-Zigarette als hipp dargestellt wird, argumentieren die Verantwortlichen.
So seien sie in den Läden verstärkt in Blickfeld des Kunden angebracht, junge Menschen würden zur werblichen Bebilderung dienen und ein jugendaffines Design sowie süßigkeitsähnliche Aromen sprächen ebenfalls eher die junge Generation an. Und wer einmal zur E-Zigarette gegriffen habe, dem fiele es deutlich leichter, auch Tabakprodukte zu konsumieren.
Doch ist dem wirklich so? Unumstritten ist der Umstand, dass Nikotin eine Droge ist und auch über die elektrische Zigarette abhängig machen kann. Demnach fordern die Verantwortlichen ein Verkaufsverbot für Jugendliche unter 18 Jahren.
Auch Schweizer Forscher in Lausanne kommen erst vor wenigen Tagen zu dem Schluss, dass die elektrische Zigarette ein „Einfallstor in den Tabakkonsum“ sei. Dazu haben Christina Akré und Joan-Carles Suris des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin (IUMSP) 42 Jugendliche befragt.
Der Griff zur E-Zigarette geschehe aus Experimentierfreude. Die große Auswahl an Aromen und die erlaubte Nutzung an mehr Orten als das Rauchen machen das Dampfen zudem attraktiv. „Was du dampfst noch? Ich rauche schon“, sei dieser Befragung nach ein gängiger Satz unter den Jugendlichen in der Schweiz. Eine Langzeitstudie soll folgen.
Wirklich ein kleiner Schritt? Vom Dampfen zum Rauchen
Werbung reicht aus, um eine Einstiegsdroge zu sein. Dafür muss der Griff zum Glimmstängel auch erfolgen. Ob das der Fall ist, lässt sich für Deutschland mangels Studien schwer behaupten oder widerlegen. Eine aussagekräftige Studie dazu erschien im Januar im „American Journal of Preventive Medicine 2015“. Hier wurde nach dem Einstieg zur Nikotinsucht gesucht.
Von 1304 befragten Jugendlichen hatten 59 als Erstes Kontakt zu Nikotin durch die E-Zigarette. Das entspricht 4,5 Prozent. Nur drei von ihnen seien heute Tabakraucher und zwei benutzten heute weiterhin die E-Zigarette. Ernst zu nehmende Zahlen? Auch ein Blick auf die britische Insel gibt Aufschlüsse. Die Zahlen des „Office for National Statistics“ aus Großbritannien zeigen, dass ein Großteil der E-Zigaretten-Konsumenten aktive oder ehemalige Raucher seien. Nur ein minimaler Anteil von 0,14 Prozent der Dampfer waren vorher Nichtraucher.
Beide Studien widerlegen zwar nicht den weiterführenden Schritt von der E-Zigarette zum Raucher, beweisen ihn aber auch nicht. Jedoch sprechen diese Zahlen eher dafür, dass die Dampfkarriere in die andere Richtung funktioniert: Statt vom Dampfen zum Rauchen werden einige vom Raucher zum Dampfer.
Die Interessengemeinschaft „E-Dampfen“ argumentiert ebenfalls ganz klar dagegen, dass die elektrische Zigarette eine Einstiegsdroge sei. Ihren Behauptungen nach seien E-Zigaretten bei Jugendlichen als „uncool“ bekannt. Der teure Anschaffungspreis von auf Dauer verwendbaren Produkten sei ebenfalls ein Hindernis für immer klamme Halbstarke. Wer kann sich wirklich einen 15-Jährige vorstellen, der sich mir einer billige Zigarettenattrappe im Mund cool findet, die beim Ziehen wie eine Spielzeugtaschenlampe leuchtet?
Einstieg versus Ausstieg – Der Versuch eines Fazits
Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Auch in der Diskussion um die E-Zigarette als Einstiegsdroge wird Rationalität einkehren. Andere Beispiele machten es bereits vor: Dem verbotenen Cannabis beispielsweise haftet seit Jahrzehnten der Ruf an, eine Einstiegsdroge zu harten illegalen Produkten zu sein. Doch entsprechende Studien, die beweisen, dass Kiffer automatisch auch zu Speed, Heroin und Co greifen, existieren bis heute nicht.
Im Gegenteil: Die Forderung nach der Legalisierung wird immer lauter und neueste Schlagzeilen macht die Droge mit dem legalen Einsatz in der Schmerztherapie. Die politischen Regelungen machen es möglich, die positiven Seiten des Hanfes zunutze zu machen. Palliativmediziner sind begeistert.
Überspitzt gesehen gibt es überall potenzielle Einstiegsdrogen: Videospiele fördern die Gewalttätigkeit, Musikkonzerte seien der Einstieg in die rechtsradikale Szene, Alcopops verführten die Jugendlichen zum Alkoholmissbrauch … Auch die Schokoladen- und Kaugummizigaretten stehen seit Jahren im Verdacht, Jugendliche ans Rauchen zu führen. Auch hier hat das DKFZ bereits ein Verbot gefordert, 2013 waren Überlegungen europaweit innerhalb der Tabakrichtlinie angestellt worden. In diesen Tagen trifft es nun eben die E-Zigarette. Doch gerade bei ihr gilt: Jede Medaille hat zwei Seiten. Die Wahrheit liegt meist in der Mitte.
Eines ist die E-Zigarette denn schon jetzt ebenfalls: für jeden neuen Nichtraucher ein möglicher Weg zum Ausstieg aus der Nikotinsucht. Es gibt wenige Studien, die sich damit beschäftigen, ob das Dampfen ein echtes Hilfsmittel zum Sieg über die Nikotinsucht ist. Auch hier existieren keine Beweise. Vielleicht ebenfalls noch nicht!
Einige Studien sind Argumente dafür, zahlreiche Erfahrungsberichte sprechen ebenfalls die gleiche Sprache. Beides scheint also möglich: die E-Zigarette als Einstiegs- und Ausstiegsdroge. Hier stellt sich die Frage, ob mit der Gefahr des Einstiegs auch eine neue Möglichkeit des Ausstieges vernichtet werden sollte? Was ist ethisch wertvoller zu betrachten?
Links:
- DKFZ-Studie: http://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/RoteReihe/Band_20_Marketing_fuer_E-Zigaretten_in_Deutschland.pdf
- Studie der Universität Lausanne: http://www.iumsp.ch/Publications/pdf/rds237_fr.pdf
- American Journal of Preventive Medicine: http://www.ajpmonline.org/article/S0749-3797%2814%2900555-8/fulltext
- Grafik: http://www.dreamstime.com/royalty-free-stock-photography-girl-holding-traditional-electronic-cigarette-addiction-confused-woman-addicted-choosing-blue-decision-studio-shot-image39541127
Neueste Kommentare